Für Außenstehende mag es ungewöhnlich klingen, aber im Autohandel wird zwischen echten und unechten Agenturen unterschieden. Diese Frage ist ein regelrechtes Politikum und seitens der meisten Automobilhersteller und Importeure wird seit 2023 eher das Modell der „unechten Agentur“ bevorzugt. Doch was bedeutet dies? Und wer profitiert von welcher Herangehensweise? Das eine vorweg: Das Agenturgeschäft ist im Automobilhandel relativ neu und wird erst seit ca. 2005 genutzt – die Relevanz steigt allerdings kontinuierlich.
Was bedeutet Agenturgeschäft im Automobilhandel?
Zunächst einmal zur Begrifflichkeit. Eine Agentur ist per Definition eine Institution, die jemanden oder etwas vertritt oder auch vermittelt. Das Wort stammt vom lateinischen „agere“ (etwas tun oder handeln), es existiert allerdings kein gesetzlicher Schutz. Spannend ist, dass Agenturen per Gesetz in vielen Fällen als Handelsvertreter auftreten – oder eben nicht, was Gegenstand mancher Auseinandersetzung war und ist.
Fest steht, dass bei einer Agentur ein direkter Vertrag zwischen den Kundinnen und Kunden und dem Automobilhersteller oder dem Importeur zustande kommt. Hierfür erhält die Agentur eine Provision. Bei einer echten Agentur entstehen für die vermittelnde Instanz (meist das Autohaus) keinerlei Risiken, bei einem Vertragshändler oder auch einer unechten Agentur ist das ein wenig anders. Gesetzliche Grundlage ist stets § 84 HGB und somit die Norm über Handelsvertreter.
Agenturgeschäft im Aufwind
Früher war die Autowelt ein gutes Stück einfacher. Der Vertragshändler kaufte Fahrzeuge beim Hersteller zu einem günstigen Preis und verkaufte sie an seine Endkundinnen und Endkunden. Die Gewinnspanne bleibt beim Autohändler – davon leb(t)en die Unternehmen.
Seit Aufkommen des Agenturgeschäfts, beispielsweise für Fahrzeuge wie den Volkswagen ID.3 fungiert ein Autohaus „nur“ noch als „Agent“ bzw. Vermittler eines Geschäfts. Hier ist dann auch der Unterschied zwischen der echten und der unechten Agentur von Relevanz, denn bei einer echten Agentur werden alle Kosten und Risiken des Vertriebs vom Hersteller übernommen, bei der unechten Agentur ist dies nicht der Fall. Damit einher geht allerdings auch eine klare Preisvorgabe, die die unechte Agentur nicht zu übernehmen hat.
Welche Vorteile bietet das Agenturgeschäft gegenüber dem Vertragshandel?
Die Frage, ob das Agenturgeschäft oder der Vertragshandel vorteilhafter ist, wird vielerorts kontrovers diskutiert. Im Vordergrund stehen eine Reduzierung der Vertriebskosten sowie eine Minimierung der Risiken auf Seiten der Autohäuser. Es müssen keine großen Fahrzeugflotten mehr eingekauft werden und was in den Showrooms steht, gehört nicht dem Autohändler, sondern dem Hersteller. Auch stellen viele Automobilhersteller Vertriebsmaterialien zur Verfügung und es besteht eine perfekte Vernetzung untereinander, sodass Fahrzeuge besser verfügbar werden. Das Leben als Agentur bzw. Agent ist somit einfacher.
Dadurch, dass nicht mehr die Autohändler Regie führen, sondern die Automobilkonzerne, werden zudem einheitliche Preise aufgerufen. Diese stammen von den Herstellern und sind in der Regel an jedem „Point of Sale“ identisch. Für Endkundinnen und Endkunden bedeutet dies einerseits Transparenz, andererseits aber auch den Wegfall von Rabatten seitens der Autohändler. Vorteile könnten sich in diesem Kontext für den Online-Vertrieb ergeben, denn hier sind die Vertriebskosten noch geringer als im stationären Handel.
Unterschied zwischen echten und unechten Agenturen
Echte Agenturen sind in diesem Kontext im Vorteil. Kaufverträge werden ohnehin nur im Namen der Hersteller geschlossen, alle Risiken sowie die Gewährleistung wird ebenfalls von diesen getragen. Dies gilt für eventuelle Rabatte, gilt für das Restwertrisiko oder auch Inzahlungnahmen von gebrauchten Fahrzeugen. Dabei wird aber auch der Entscheidungsspielraum für die Autohändler minimiert.
Eine unechte Agentur ist freier und kann auch Preisnachlässe gewähren. Diese schmälern allerdings die Provision, was bereits von manchen Automobilherstellern durch Ausgleichszahlungen kompensiert wurde. Restwertrisiken bleiben ebenfalls zum Teil bei den Autohändlern, weshalb es sich um eine Art „Mischform“ handelt.
Mögliche neue Wege im Autohandel
Während das Neuwagengeschäft verstärkt über Agenturen geregelt wird, ergeben sich im Gebrauchtwagenbereich erhebliche Potenziale. Diese lassen sich nicht nur im privaten Bereich, sondern auch an Unternehmen verkaufen und auch Gebrauchtwagenleasing ist ein Trend.
Dass das Vertragshändler-System wegfällt, erscheint als ausgemachte Sache und sowohl MINI und BMW als auch zum Teil Volkswagen, Ford und Mercedes-Benz sowie einige andere setzen auf das Modell. Von Seiten des Verbandes der Marken-Vertragshändler (VMH) wurde hieran zwar schon Kritik geübt, doch lässt sich der Trend offenbar nicht mehr aufhalten. Für wen das gut ist, wird die Zukunft zeigen.